50.000 € Schmerzensgeld für eine 70-jährige Patientin mehr...
Wie hoch kann das Schmerzensgeld nach einem Befunderhebungsfehler, im Urteilsfall einem zu spät erkannten Tumor, ausfallen und nach welchen Kriterien berechnet es sich? Darüber musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) im nachfolgenden Fall entscheiden.
Der Kläger im Urteilsfall machte für seine verstorbene Ehefrau Schmerzensgeld gegen den behandelnden Arzt geltend. Die Patientin war im Herbst 2010 wegen undefinierbarer Schmerzen in einem bereits geschwollenen rechten Oberschenkel in die orthopädische Fachpraxis des Beklagten überwiesen worden. Dort wurde im Oktober lediglich ein Hämatom diagnostiziert. Erst Ende November veranlasste der Beklagte eine MRT-Untersuchung. Dabei wurde ein Tumor diagnostiziert, der im Dezember reseziert wurde. Nachdem bereits im Februar 2011 eine Metastase gefunden worden war, konnte der Krebs nicht mehr eingedämmt werden. Die Patientin verstarb im August 2012.
Das Landgericht hatte zunächst ein Schmerzensgeld von 30.000 € zugesprochen. Das OLG verurteilte den Beklagten in der hiergegen eingelegten Berufung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 50.000 €. Der Beklagte hafte für die durch sein Fehlverhalten entstandenen Schäden, da er die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen habe. Der Tumor hätte gemäß den Angaben des Sachverständigen bereits Ende Oktober erkannt werden können. Bei einer um einen Monat früheren Diagnose wäre die statistische Prognose der Patientin besser gewesen. Aufgrund des vom Kläger dargestellten Leidenswegs seiner Frau sowie unter Berücksichtigung ihres Alters und ihrer Lebensumstände sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 € angemessen.
Hinweis: Verstirbt ein bereits betagterer Patient (hier: eine 70-jährige Patientin) an einer zu spät erkannten Krebserkrankung, sind für die Bemessung des Schmerzensgeldes einerseits sein Leidensweg maßgeblich - insbesondere die Heftigkeit und Dauer der Schmerzen. Andererseits sind sein Alter und seine familiäre Situation, die Rückschlüsse auf die erlittenen Lebensbeeinträchtigungen zulassen, zu berücksichtigen.
OLG Frankurt/Main, Urt. v. 22.12.2020 – 8 U 142/18
Klinik haftet für groben Fehler einer Krankenschwester mehr...
Wer muss haften, wenn das Pflegepersonal einer Intensivstation wichtige ärztliche Weisungen nicht ausführt? Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht München (OLG) im folgenden Fall auseinandersetzen.
Auf einer Intensivstation besagte die interne Anweisung, dass vom Pflegepersonal erfasste EKG-Befunde für den behandelnden Arzt direkt sichtbar vorne in der Behandlungsakte abgelegt werden sollten. Zudem sollten EKGs in der Behandlungsakte der Patienten vermerkt werden. Eine Krankenschwester versäumte es jedoch, die EKG-Befunde einer 43-jährigen Patientin entsprechend abzulegen und zu vermerken, dass das EKG, das einen reaktionspflichtigen Befund zeigte, durchgeführt worden war. Der behandelnde Oberarzt führte daraufhin seine Visite durch, ohne die auffälligen EKG-Befunde zu kennen. Diese hätten aber ein sofortiges ärztliches Handeln und das Verbleiben der Klägerin auf der Intensivstation erfordert. Stattdessen wurde die Klägerin auf die Normalstation verlegt, wo sie einen Herz-Kreislauf-Stillstand und eine Hirnschädigung erlitt.
Die Haftpflichtversicherung des Krankenhausträgers zahlte der Patientin ein Schmerzensgeld von 150.000 € sowie Verdienstausfälle. Die Patientin und ihr Ehemann verklagten den Klinikträger jedoch auf Zahlung eines weiteren Schadensersatzes und eines höheren Schmerzensgeldes. Die verklagte Klinik sah sich jedoch nicht verantwortlich. Eine Falschbehandlung habe es nicht gegeben. Auch das Landgericht Kempten wies die Klage als unbegründet ab. Es liege hier lediglich eine Pflichtverletzung des nichtärztlichen Personals vor, das das EKG nicht rechtzeitig in die Patientenakte gegeben habe. Dabei handle es sich nicht um einen Organisationsfehler.
Die Berufung der Patientin gegen dieses Urteil war überwiegend erfolgreich. Das OLG verneinte zwar ebenso einen Behandlungsfehler des Oberarztes, der auf Basis der ihm vorliegenden Informationen die richtige Entscheidung getroffen habe. Es bejahte aber ein grob fehlerhaftes Verhalten des Pflegepersonals. Das nichtärztliche Personal habe gegen die mündlich erteilte Weisung in doppelter Hinsicht verstoßen. Dieses fahrlässige Handeln der Krankenschwester sei dem Krankenhausträger zuzurechnen. Insgesamt muss der Krankenhausträger der Klägerin ein Schmerzensgeld von 225.000 € für die erlittene hypoxische Hirnschädigung zahlen, den erlittenen Verdienstausfall ersetzen und für alle künftigen Schäden aufkommen.
OLG München, Urt. v. 06.08.2020 – 24 U 1360/19
Oberlandesgericht bestätigt Haftung von niedergelassenen Kinderärzten mehr...
Können niedergelassene Kinderärzte haftbar gemacht werden, wenn Patienten aufgrund unterlassener Krankenhauseinweisung Folgeschäden erleiden? Das musste das Oberlandesgericht Köln (OLG) entscheiden.
Im Urteilsfall verstießen gleich zwei Kinderärzte gegen ihre Pflichten, nachdem die Mutter mit ihrer Tochter (Klägerin) aufgrund fortdauernden wässrigen Durchfalls und Erbrechens an mehreren Tagen nacheinander - zuerst am 21.04.2003 - bei den entsprechenden Kinderärzten vorstellig wurde, zuletzt mit dem Hinweis, dass ihre Tochter nicht mehr trinke. Statt weitere Untersuchungen zu veranlassen oder den Säugling sofort in ein Krankenhaus einzuweisen, wurde die Mutter mit Rezepten und teilweise direkt von Arzthelferinnen abgefertigt.
Die Vorstellung der Patientin in einem Krankenhaus hätte laut Sachverständigem dazu geführt, dass sie bei seit längerer Zeit andauerndem Brechdurchfall unter ärztlicher Kontrolle des Krankenhauses und der dort tätigen Ärzte - stationär oder ambulant - geblieben wäre. Dadurch wäre eine sich entwickelnde hypertone Dehydratation rechtzeitig behandelt worden. Lehnt ein Patient eine ihm angeratene Behandlung (z.B. Krankenhauseinweisung) ab, hat ihn der Arzt in einer für den Patienten verständlichen Art und Weise über die Notwendigkeit der Behandlung aufzuklären. Dies gilt vor allem für die Folgen der Unterlassung der Behandlung.
Der Hinweis der zweiten Kinderärztin, es drohe eine Verschiebung der Salze, die nicht mit dem Leben vereinbar sei, sei hier nicht ausreichend gewesen, um den Eltern der Patientin die Dringlichkeit einer weiteren Behandlung zu verdeutlichen. Die Behandlungsfehler seien für den am 25.04.2003 festgestellten Eintritt einer schwersten hypertonen Dehydratation/Toxikose ursächlich geworden. Das OLG machte deshalb beide Kinderärzte als Gesamtschuldner wegen des nachfolgend eingetretenen Gehirnschadens des Säuglings haftbar.
Hinweis: Bei unklarer Herkunft der Beschwerden eines Kleinkindes hat der Kinderarzt entweder weitere diagnostische Mittel einzusetzen oder das Kleinkind zeitnah in ein Krankenhaus einzuweisen. Kinderärzte sollten ihr Praxispersonal klar anweisen, in Fällen unklarer und fortdauernder Beschwerden eines Kleinkindes das Kind erneut dem Arzt vorzustellen. Dabei hat dieser den Eltern die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung in verständlicher Weise zu verdeutlichen. Zudem sollte die Belehrung dokumentiert werden.
OLG Köln, Urt. v. 17.02.2021 – 5 U 110/20
Hier finden Sie Erklärvideos zu Steuerfragen, die praktisch in jeder Arztpraxis auftauchen. Die Videos zeigen Ihnen kurz und verständlich, wie Sie Steueroptimierungen nutzen und Fallen vermeiden.
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Hat eine Honorarrückforderung Bestand? mehr...
Ob das ambulante Operieren ohne Genehmigung eine Honorarrückforderung durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) rechtfertigt, hatte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) im Folgenden zu entscheiden.
Im Urteilsfall ging es darum, dass der Honorararzt als Antragsteller die von der Antragsgegnerin - der KV - berichtigten Leistungen zumindest teilweise ohne die hierfür erforderliche Genehmigung durchführte und dementsprechend auch nicht abrechnen durfte. Der Antragsteller habe sowohl an dem Standort F als auch an dem Standort N im streitrelevanten Zeitraum ambulante Operationen durchgeführt. Für die genannten Standorte verfügte er im streitigen Zeitraum jedoch über keine Genehmigung, dennoch habe er diese Leistungen teilweise abgerechnet.
Der Antragsteller räumte ein, zumindest noch zehn ambulante, seinerseits durchgeführte Operationen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung am Standort N vorgenommen zu haben. Auch die Staatsanwaltschaft kam im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu dieser Erkenntnis. Sie erhob schließlich Anklage wegen versuchten Abrechnungsbetrugs und war damit vor dem LSG erfolgreich.
Die KV sei nach der gebotenen summarischen Prüfung zu Recht davon ausgegangen, dass der Arzt an einem Standort ambulante Operationen durchgeführt und ihr gegenüber abgerechnet habe, wofür ihm keine Genehmigung vorlag. In derartigen Fällen sei die KV dazu berechtigt, das Honorar sachlich-rechnerisch zu berichtigen. Das gelte auch für die quartalsgleiche Berichtigung. Insbesondere seien Ausführung und Abrechnung ambulanter Operationsleistungen gemäß §§ 115b, 135 Absatz 2 Sozialgesetzbuch V nach der „Qualitätssicherungsvereinbarung ambulantes Operieren“ im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur mit der für einen konkreten Ort erteilten KV-Genehmigung zulässig.
Hinweis: Weist die Honorarabrechnung eines Vertragsarztes auch nur einen Fehlansatz auf, bei dem ihm grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, erfüllt die jeder Quartalsabrechnung beizufügende Abrechnungssammelerklärung nicht mehr ihre Garantiefunktion - mit der Folge, dass das gesamte Quartalshonorar zu Fall kommt.
LSG NRW, Beschl. v. 28.08.2020 – L 11 KA 60/18 B ER
Werbung für Ausstellung mittels Ferndiagnose rechtswidrig? mehr...
Ob die Werbung für die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU-Bescheinigungen), die lediglich auf der Beantwortung eines vorformulierten Fragenkatalogs basieren, rechtswidrig sind, musste das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) im folgenden Urteilsfall entscheiden.
Die Beklagte ermöglicht den Erhalt einer AU-Bescheinigung ausschließlich im Wege der Fernbehandlung. Der Interessent kann hierzu über sein Mobiltelefon die Internetseite aufrufen. Unter dem Link „Los geht’s“ erhält er folgendes Angebot: „Sie sind arbeitsunfähig wegen Erkältung und müssten daher zum Arzt? Hier erhalten Sie Ihre AU-Bescheinigung einfach online per Handy nach Hause! Wenn Sie werktags (Mo-Fr) vor 10 Uhr bestellen, versenden wir Ihre AU bis 15 Uhr per WhatsApp & per Post. Anderenfalls am nächsten Werktag (Mo-Fr) bis 15 Uhr. Beginn der AU ist immer das Bestelldatum.“
Der Kläger (ein eingetragener Verein) mahnte die Beklagte ab. Die Beklagte wies die Vorwürfe zurück. Laut Kläger verstößt die Beklagte gegen § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG), da sie für eine Fernbehandlung werbe - nämlich für eine Erkennung von Krankheiten, die nicht auf der unmittelbaren Wahrnehmung des Arztes beruhe. Darüber hinaus liege auch ein Verstoß gegen ärztliches Berufsrecht vor. Schon vor dem Landgericht Hamburg, das den Anspruch auf Unterlassung als berechtigt ansah, unterlag die Beklagte - sie zog vor das OLG.
Das OLG sah in der Werbung jedoch ebenfalls einen Verstoß gegen das Fernbehandlungsverbot. Nach § 9 HWG alte Fassung ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden unzulässig, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Das streitbefangene Geschäftsmodell biete nicht ausreichend Möglichkeiten, dass der diagnostizierende Arzt sich einen umfassenden Eindruck verschaffen könne.
OLG Hamburg, Urt. v. 05.11.2020 – 5 U 175/19
Darf Klinik die Behandlung verweigern? mehr...
Inzwischen gibt es die erste für Krankenhäuser erfreuliche Gerichtsentscheidung, wonach sich Patienten vor Aufnahme in ein Krankenhaus einem Corona-Test unterziehen müssen. Bei Verweigerung kann die Aufnahme abgelehnt werden. Die Entscheidung ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangen und ist rechtskräftig.
Zum Fall: Die sich in der 33. Schwangerschaftswoche befindliche Klägerin begab sich am 22.09.2020 wegen starker Schmerzen in der linken Niere in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Die behandelnde Ärztin empfahl die dringende urologische Abklärung in einem anderen Krankenhaus. Dort sollte sich die Patientin auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 testen lassen, was sie ablehnte, da es hierfür keine rechtliche Grundlage gebe. Sie musste daraufhin das Krankenhaus verlassen.
Die Patientin versuchte anschließend, das Krankenhaus im Wege der einstweiligen Verfügung dazu zu verpflichten, sie zu behandeln - und zwar ohne von ihr die Mitwirkung bzw. Hinnahme einer Untersuchung zur Feststellung einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu verlangen. Sowohl das Amtsgericht Dortmund als auch das Landgericht Dortmund (LG) lehnten den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung ab.
Das Krankenhaus sei im konkreten Fall ohne vorherige Durchführung eines Corona-Tests nicht zur Aufnahme verpflichtet. Etwaige Nachteile aufgrund des Tests habe die Klägerin nicht darlegen können. Eine Eilbedürftigkeit folge auch nicht aus dem Umstand ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft. Zwar habe das Krankenhaus grundsätzlich - unabhängig von dem Versichertenstatus - eine Aufnahme- bzw. Behandlungspflicht. Diese bestehe aber nicht unbeschränkt.
Hinweis: Die Entscheidung bringt erfreuliche Klarheit für die Krankenhäuser, indem das Gericht in aller Deutlichkeit darauf hinweist, dass die abverlangte Testung rechtmäßig ist. Voraussetzungen dafür sind, dass es sich um einen vom RKI anerkannten Test handelt und dass das Krankenhaus in jeder Hinsicht nachvollziehbare und begründete Motive verfolgt, dem Schutz von Mitpatienten und Mitarbeitern vor einer möglichen Infektion und der Aufrechterhaltung des Krankenhausbetriebs zu dienen. Die Entscheidung des LG ist jedoch nur für elektive Krankenhausbehandlungen nutzbar, gilt also nicht bei Notfällen.
LG Dortmund, Beschl. v. 04.11.2020 – 4 T 1/20
Angestellte Ärztin bittet Ärztekammer zu Sicherheitsproblemen in ihrer Praxis um Rat mehr...
Darf einer Ärztin fristlos gekündigt werden, wenn diese nach ergebnislosen Gesprächen mit der Geschäftsführung schließlich mit der Ärztekammer über Sicherheitsprobleme in der Praxis spricht? Diese Frage musste das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) im folgenden Fall beantworten.
Die Klägerin nahm hier im Rahmen ihrer Tätigkeit als Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie in der Privatpraxis des Beklagten Endoskopien vor. Sie war besorgt um die Sicherheit der behandelten Patienten, da in der Praxis für Endoskopie die fachlichen Standards bei der Personalausstattung und -ausbildung nicht eingehalten wurden. Sie monierte die Zustände zuerst mehrfach gegenüber der Geschäftsleitung. Schließlich fragte sie die Ärztekammer und später auch die Deutsche Gesellschaft für Endoskopiefachberufe um Rat.
Ihr Arbeitgeber veränderte daraufhin ihre Dienstzeiten zu ihrem Nachteil und kündigte ihr schließlich fristlos. Er warf ihr vor, sie habe das Vertrauensverhältnis irreparabel geschädigt, als sie sich mit Interna an die Ärztekammer und die Fachgesellschaft gewendet habe. Die Ärztin wehrte sich gerichtlich gegen die sofortige Kündigung.
Das LAG gab der Ärztin weitestgehend recht und erklärte die Kündigungen für unwirksam. Weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung habe das Arbeitsverhältnis der Ärztin beendet. Die Praxis musste die Ärztin weiterhin beschäftigen. Insbesondere die Mitteilung der Ärztin an die Ärztekammer rechtfertige keine Kündigung. Sie habe damit nicht gegen das arbeitsrechtliche Rücksichtnahmegebot verstoßen. Das Einschalten der Ärztekammer sei gerade im Falle eines Konfliktes zwischen Ärzten zulässig und nicht zwangsläufig als Anzeige eines Fehlverhaltens zu verstehen, zudem es sich bei der Ärztekammer um keine Institution wie die Staatsanwaltschaft handle.
Das LAG betonte, dass die Ärztin auch unter Beachtung der Rücksichtnahmepflichten gehandelt habe, weil sie das nach ihrer Einschätzung im Hinblick auf die Endoskopien rechtswidrige Verhalten ihres Arbeitgebers zunächst ihm gegenüber vorgebracht habe. Die Ärztin habe auch keine Unwahrheiten gegenüber der Ärztekammer bzw. der Fachgesellschaft behauptet.
Hinweis: Die Ärztin hat richtig erkannt, dass ihr auch selbst arzthaftungsrechtliche Konsequenzen hätten drohen können, wenn sie die Zustände in der Praxis weiterhin durch ihre Arbeit unterstützt hätte. Zu nennen sind hier insbesondere die fehlende Ausbildung des Hilfspersonals in der Endoskopie und in der damit verbundenen Anästhesie, zum Beispiel bei der alltäglichen Anwendung von Propofol.
LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.11.2020 – 9 Sa 426/20
Muss die Krankenkasse die Kosten für Hautstraffung übernehmen? mehr...
Mit der Frage, ob eine gesetzliche Krankenversicherung dazu verpflichtet ist, die Kosten für eine beidseitige Oberarmstraffung zu übernehmen, wenn eine Entstellung nach vorausgegangener Operation vorliegt, musste sich das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) im folgenden Fall beschäftigen.
Nach einer Schlauchmagenoperation verlor eine gesetzlich krankenversicherte Frau 45 bis 50 kg an Gewicht. Dadurch bedingt kam es zu einem Fettverteilungstyp mit massivem Hautüberschuss an beiden Oberarmen. Trotz unauffälliger, lockerer Alltagskleidung war eine massive Asymmetrie des Erscheinungsbildes von Ober- und Unterarm sichtbar. Die Frau beantragte daher im März 2011 bei ihrer Krankenkasse die Übernahme der Kosten für eine beidseitige Oberarmstraffung. Diese lehnte die Krankenkasse jedoch ab, sodass die Frau Klage erhob.
Das Sozialgericht Braunschweig (SG) gab der Klage allerdings nicht statt. Dagegen richtete sich die Berufung der Klägerin. Das LSG entschied schließlich zugunsten der Klägerin und hob daher die Entscheidung des SG auf. Der Klägerin stehe der Anspruch auf die Übernahme der Kosten für die beidseitige Oberarmstraffung zu. Dieser ergebe sich aus der entstellenden Wirkung des Erscheinungsbildes der Oberarme.
Hinweis: Eine Entstellung liegt laut Gericht dann vor, wenn eine körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sei, dass sie sich schon bei flüchtiger Bewegung in alltäglichen Situationen bemerkbar mache und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führe. So lag der Fall hier.
LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 17.11.2020 – L 16 KR 143/18
Kann der Heimvertrag mit Demenzpatienten gekündigt werden? mehr...
Ob der Heimvertrag mit Demenzpatienten aufgrund demenzbedingter Verhaltensauffälligkeiten gekündigt werden kann, musste das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) im folgenden Fall klären.
Seit 2015 lebte eine an Demenz erkrankte Frau in einem Seniorenheim mit eigener Demenzabteilung. Mit der Behauptung, die Frau störe mit ihrem Verhalten den Heimfrieden, kündigte die Heimbetreiberin im September 2018 den Heimvertrag mit der Frau aus wichtigem Grund: Die Frau laufe ständig umher und suche die anderen Bewohner in ihren Zimmern auf. Dies geschehe auch zur Nachtzeit. Sie betrete auch regelmäßig das Zimmer eines bestimmen Bewohners und schaue diesem gegen seinen Willen bei dessen Intimpflege zu. Zudem sei sie aggressiv, boxe Pflegekräfte und fahre Personen mit ihrem Rollator an.
Die Heimbetreiberin klagte schließlich auf Räumung und Herausgabe des bewohnten Zimmers. Das Landgericht Osnabrück wies die Klage ab, denn es liege kein wichtiger Grund zur Kündigung des Heimvertrags vor. Das behauptete Verhalten der Heimbewohnerin sei für die Heimbetreiberin zumutbar. Gegen diese Entscheidung legte die Heimbetreiberin Berufung ein. Das OLG bestätigte jedoch die Entscheidung der Vorinstanz.
Ein Recht zur Kündigung des Heimvertrags aus wichtigem Grund liege nicht vor, sodass der Räumungs- und Herausgabeanspruch nicht bestehe. Angesichts dessen, dass der Heimbetreiberin die Demenzerkrankung der Bewohnerin bei deren Aufnahme bekannt war und die Bewohnerin in der Demenzabteilung lebte, sei der Heimbetreiberin ein Festhalten am Vertrag zumutbar. Gewisse Verhaltensauffälligkeiten von Demenzpatienten seien hinzunehmen. Das von der Heimbetreiberin behauptete Verhalten der Heimbewohnerin habe sich noch im Rahmen dessen bewegt, was von dem Betreiber eines Pflegeheims mit demenzkranken Bewohnern einer dem Heim angegliederten Demenzabteilung hingenommen werden müsse.
Hinweis: Wenn Heimbewohner eine erhebliche Gefahr für sich und/oder andere darstellen und die Heimleitung belegen kann, dass anderen Bewohnern Sach- oder Körperschäden zugefügt werden, kann die Kündigung eines Heimvertrages begründet sein. In diesem Fall war das allerdings nicht gegeben.
OLG Oldenburg, Urt. v. 28.05.2020 – 1 U 156/19
Ist die Eins-zu-eins-Betreuung erforderlich oder reicht eine stetige Erreichbarkeit aus? mehr...
Ob für die Fixierung eines in einer psychiatrischen Klinik untergebrachten Kindes gemäß § 1631b Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Eins-zu-eins-Betreuung durch pflegerisches oder therapeutisches Personal erforderlich ist oder die stetige Erreichbarkeit des Personals ausreicht, musste kürzlich das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) entscheiden.
Im Urteilsfall befand sich ein 17-jähriges Kind aufgrund einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung mit schwerem Krankheitsverlauf in einer psychiatrischen Klinik. Im Juni 2020 genehmigte das Amtsgericht Hamburg St. Georg die 5- bis 11-Punkt-Fixierung des Kindes bei akutem Bedarf wegen Fremd- oder Eigengefährdung. Zudem ordnete das Gericht die stetige Erreichbarkeit des Personals an.
Gegen diese Entscheidung hat die Verfahrensbeiständin des Kindes Beschwerde eingelegt. Eine stetige Erreichbarkeit des Personals sei unzureichend. Das OLG folgte dieser Ansicht. Die amtsgerichtliche Genehmigung einer stetigen Erreichbarkeit des Personals genüge nicht den Anforderungen des § 1631b Abs. 2 BGB. Vielmehr sei die Anordnung einer Eins-zu-eins-Betreuung durch pflegerisches oder therapeutisches Personal erforderlich. Es sei zu beachten, dass dem Kind bei den Fixierungen gesundheitliche Risiken drohen könnten, denen grundsätzlich mit einer Eins-zu-eins-Betreuung entgegenzuwirken sei.
Hinweis: Eine Ausnahme kann gemacht werden, wenn mit der ständigen Anwesenheit einer Betreuungsperson ebenfalls Belastungen für den Betroffenen verbunden sind. Soweit eine Klinik jedoch lediglich auf finanzielle Gründe hinweist, genügt das nicht, um von einer Eins-zu-eins-Betreuung abzuweichen.
OLG Hamburg, Beschl. v. 17.11.2020 – 12 UF 101/20
Neben der verantwortlichen Anästhesistin haftet auch der HNO-Arzt selbst mehr...
Die Frage über die Verantwortlichkeit eines operierenden Hals-Nasen-Ohren-Arztes (HNO), in dessen Praxis ein Kind nach einer Nasenoperation im Aufwachraum verstarb, konnte im folgenden Fall nach voriger Verurteilung der verantwortlichen Narkoseärztin erst das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beantworten.
Ein neunjähriges Kind unterzog sich einer Operation zur Verbesserung der Nasenatmung in der Praxis eines niedergelassenen HNO-Arztes. Zur Durchführung der Narkose war eine Anästhesistin anwesend. Die vom HNO-Arzt durchgeführte Operation verlief als solche völlig komplikationslos. Nach der Operation wurde das Kind, das noch nicht aufgewacht war, in einen Aufwachraum gebracht. Dort wartete bereits sein Vater, der in der Folgezeit bei dem Kind blieb. Nach kurzer Zeit machte der Vater den HNO-Arzt darauf aufmerksam, dass das Kind nicht mehr atme. Trotz sofort eingeleiteter Rettungsmaßnahmen erlitt das Kind aufgrund mangelnder Sauerstoffversorgung schwere Hirnschädigungen, an deren Folgen es eine Woche später verstarb.
Die Anästhesistin wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie keine ordnungsgemäße kontinuierliche Überwachung der Sauerstoffsättigung während der Aufwachphase des Kindes sichergestellt hatte. So seien - entgegen dem anästhesiologischen Standard - im Aufwachraum keine Pulsoxymeter mehr vorhanden gewesen. Das gegen den operierenden HNO-Arzt und Praxisinhaber eingeleitete Strafverfahren wurde hingegen eingestellt. Die Kindesmutter strebte jedoch auch dessen Verurteilung wegen billigender Inkaufnahme einer mangelhaften Praxisorganisation an - vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht (OLG) ohne Erfolg.
Doch das BverfG sah den Sachverhalt ganz anders. Das OLG hätte sich auch mit einer den HNO-Arzt selbst treffenden Aufklärungspflicht bezüglich der mangelhaften Überwachung im Aufwachraum auseinandersetzen müssen. Das Gericht habe in diesem Zusammenhang wesentliche Aspekte der zur Verfügung stehenden Beweismittel (dem Praxisinhaber waren die organisatorischen Missstände seit Jahren bekannt) unberücksichtigt gelassen. Ein von mehreren Personen durchgeführter medizinischer Eingriff stelle regelmäßig mehr dar als die Summe voneinander getrennter ärztlicher Einzelleistungen. Gerade die Organisation der Zusammenarbeit sei trotz des Vertrauensgrundsatzes als notwendige Bedingung einer Zusammenarbeit ein wesentlicher Bestandteil der ärztlichen Sorgfaltspflichten.
BVerfG, Urt. v. 23.03.2020 – 2 BvR 1615/16
Wer haftet: der Konsiliararzt oder der behandelnde Arzt? mehr...
Ob ein Facharzt, der von einem anderen Arzt konsiliarisch hinzugezogen wird, dafür haften muss, wenn der Facharzt seinen Empfehlungen nicht folgt und dem Patienten dadurch eventuell ein Schaden entsteht, musste das Oberlandesgericht Hamm (OLG) im folgenden Fall klären.
Die klagende Patientin kam als Frühgeburt zur Welt, was bei ihr das Risiko einer Frühgeborenen-Retinopathie (ROP) erhöhte. Etwa einen Monat nach der Geburt untersuchten die beklagten niedergelassenen Augenärzte, die konsiliarisch für die ebenfalls beklagte Klinik tätig waren, die Klägerin. Es zeigte sich bei ihr beidseitig eine avaskuläre Netzhaut mit Vaskularisationsgrenze II sowie eine Glaskörpertrübung in Zone III. Weitere engmaschige Untersuchungen folgten. Eine augenärztliche Untersuchung durch einen der Konsiliarärzte zeigte zwar erneut keine ROP, jedoch eine avaskuläre Netzhaut in Zone II. Der Konsiliararzt sprach eine leitliniengetreue Empfehlung zur Kontrolluntersuchung eine Woche später aus. Die Klinikärzte forderten allerdings keine weitere engmaschige Untersuchung bei den Konsiliarärzten an. Diese erfolgte erst drei Wochen später - inzwischen lag eine akute ROP vor, woraufhin die Patientin später weitestgehend ihr Augenlicht verlor. Sie verklagte die Konsiliarärzte daraufhin wegen fehlerhafter Behandlung.
Das OLG wies die Klage gegen die konsiliarisch tätigen Augenärzte ab. Der Konsiliararzt sei an den konkreten Auftrag des überweisenden Arztes gebunden, wenn er tätig werde. Die Behandlungsverantwortung mit der Pflicht vollständiger therapeutischer Aufklärung verbleibe bei dem die Behandlung führenden (überweisenden) Arzt. Empfiehlt der hinzugezogene Augenarzt dem überweisenden Arzt leitliniengerecht eine Wiedervorstellung des Patienten nach einer Woche, könne er erwarten, dass seine Empfehlung auch von der Klinik umgesetzt werde. Der Konsiliararzt müsse die Einhaltung dieser Empfehlung nicht überprüfen.
Hinweis: Die Verantwortung für den Patienten liegt also grundsätzlich beim behandelnden Arzt bzw. bei der behandelnden Klinik. Beide müssen den Behandlungsablauf überwachen und Empfehlungen der konsiliarisch hinzugezogenen Ärzte umsetzen. Wenn sie das nicht tun, haften sie.
OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2020 – 26 U 131/19
Dürfen Anbieter auffällige positive Bewertungen mit Warnhinweisen versehen? mehr...
Patienten orientieren sich bei der Suche nach einem guten Arzt oder Zahnarzt gern an Bewertungen auf Bewertungsportalen. Ob und unter welchen Voraussetzungen derartige Portale bei auffälligen Bewertungen Warnhinweise anbringen dürfen, musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) entscheiden.
Auf Social-Media-Plattformen sind Warnhinweise zu unwahren Beiträgen mittlerweile an der Tagesordnung. Doch auch bei Bewertungsportalen (Jameda ist Marktführer der Arztbewertungsportale) können auffällige Bewertungen mit Warnhinweisen versehen werden. Im Urteilsfall ging es um einen Zahnarzt, auf dessen Profil Jameda bei einzelnen Bewertungen Auffälligkeiten festgestellt hatte. Der Zahnarzt aber bestritt eine Manipulation. Dem Portal erschien die Argumentation des Arztes jedoch unglaubwürdig, weshalb es einen Warnhinweis veröffentlichte.
Der Zahnarzt verlangte die Unterlassung des Hinweises auf manipulierte bzw. gekaufte Bewertungen. Das Landgericht Frankfurt am Main wies seinen Unterlassungsantrag ab, wogegen der Zahnarzt Beschwerde beim OLG einlegte. Dieses sah den Warnhinweis aber ebenfalls als berechtigt an. Der Warnhinweis greife zwar in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Gewerbebetriebs ein. Dies sei jedoch nicht rechtswidrig, zumal dem Warnhinweis zu entnehmen sei, dass es sich um einen bloßen Verdacht handle. Die Vorgehensweise des Portals sei also über die sogenannte Verdachtsberichterstattung legitimiert.
Hinweis: Es ist bekannt, dass Anbieter von Waren und Dienstleistungen im Internet positive oder negative Bewertungen kaufen können und dass dies auch im großen Stil genutzt wird. Gekaufte Bewertungen verzerren das Bild der Bewerteten und erschweren dem Verbraucher eine objektive Bewertung. Es ist Patienten daher abzuraten, ihre Entscheidung, welchen Arzt sie aufsuchen, allein von solchen Bewertungen abhängig zu machen. Wer einen guten Arzt sucht, sollte also lieber Empfehlungen von Freunden und Bekannten folgen.
OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 19.11.2020 – 16 W 37/20
Wann dürfen intensivmedizinische Komplexbehandlungen abgerechnet werden? mehr...
Wann dürfen intensivmedizinische Komplexbehandlungen abgerechnet werden?
Ob eine intensivmedizinische Komplexbehandlung nur dann abgerechnet werden kann, wenn die intensivmedizinische Behandlung durch einen Facharzt geleitet wird, der eine Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ besitzt, musste im Folgenden das Sozialgericht Dresden (SG) entscheiden.
Im Urteilsfall arbeiteten zwei Ärzte mit der entsprechenden Zusatzweiterbildung abwechselnd in Schichten im Krankenhaus. Das Schichtsystem stellte allerdings nicht sicher, dass an den freien Tagen der Ärzte - also insbesondere an den Wochenenden und in Urlaubsfällen - eine tägliche Anwesenheit eines Facharztes mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin gewährleistet war. Die Krankenkasse verwehrte dem Krankenhaus deshalb die Abrechenbarkeit von Leistungen über 12.000 €, wogegen das Krankenhaus wiederum klagte.
Strittig war letztlich allein die Frage, ob die Strukturvoraussetzungen für die Abrechnung des OPS 8-980.20 erfüllt waren. Dies verneinte das SG, denn es fordert für eine solche Abrechenbarkeit die zumindest stundenweise Anwesenheit des Facharztes mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin. Die Behandlungsleitung auf einer Intensivstation sei von den medizinischen Bedürfnissen der Patienten geprägt und weniger planbar als zum Beispiel eine multimodale Schmerzbehandlung. Bei der intensivmedizinischen Komplexbehandlung erfordere die Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der entsprechenden Zusatzweiterbildung letztendlich aufgrund der medizinischen Gegebenheiten auch dessen - zumindest stundenweise - Anwesenheit am Wochenende.
In der Intensivmedizin sind elementare Funktionen von Atmung, Kreislauf, Homöostase und Stoffwechsel des Patienten lebensgefährlich bedroht oder gestört. Es kann somit zu Situationen kommen, in denen der Arzt notfallmäßig reagieren muss. Wegen der schwerwiegenden Erkrankungen der Intensivpatienten könnten behandlungsleitende Entscheidungen auch nicht in jedem Fall zwei Tage warten. Deswegen müssten die für die Behandlungsleitung qualifizierten Ärztinnen und Ärzte täglich verfügbar sein. Die Behandlungsleitung kann also nicht über ganze Tage pausieren wie im vorliegenden Fall.
Hinweis: Die Krankenhausleitungen müssen sicherstellen, dass auch an Wochenenden und in Urlaubszeiten ein leitender Facharzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin zumindest stundenweise auf der Station anwesend ist. Eine telefonische Erreichbarkeit oder die Möglichkeit, den Facharzt von zu Hause hinzuzurufen, ist nicht ausreichend.
SG Dresden, Urt. v. 04.11.2020 – S 18 KR 530/18
Atteste von Heilpraktikern oder Zahnärzten sind nicht ausreichend mehr...
Atteste sind wichtige Zeugnisse zum Beleg einer Erkrankung. Mit einem entsprechenden Attest lässt sich sogar die COVID-19-bedingte, in bestimmten Konstellationen (u.a. in geschlossenen Räumen, Geschäften, Restaurants, Schulen/Einrichtungen) vorherrschende Maskenpflicht umgehen. Doch wer darf diese Atteste ausstellen? Mit dieser Frage musste sich kürzlich das Verwaltungsgericht Potsdam (VG) befassen.
Im Urteilsfall wehrte sich ein Schüler aus Brandenburg gegen die Pflicht, in seiner Schule einen Mund-Nasen-Schutz (MNS) tragen zu müssen. Er legte dazu zwei von einem Heilpraktiker (einem Zahnarzt im Ruhestand) ausgestellte Atteste vor. Da die Schule diese nicht anerkennen wollte, beantragte der Schüler, dass das VG einstweilig feststellen solle, dass die Atteste ausreichend seien, um ihn von der Maskenpflicht zu befreien. Das zweite Attest des Heilpraktikers diagnostizierte eine Angst- und Panikerkrankung, ein Schlafapnoesyndrom, eine Dyspnoe und eine Mundatmung.
Das VG sah diese Atteste aber als nicht ausreichend an, wies den Antrag des Schülers zurück und begründete dies wie folgt: Ein Heilpraktiker könne keine ärztlichen Atteste ausstellen, weil dieser eine andere Ausbildung hätte. Zudem könne ein Zahnarzt keine psychiatrischen Symptome (wie z.B. Angststörungen) feststellen, weil dies nicht in seinen Fachbereich falle. Er dürfe somit nur zahnärztliche Diagnosen stellen. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, warum eine Schlafapnoe den Träger einer Maske beim Atmen hindern sollte.
Es sei hinreichend substantiiert darzulegen, aus welchen gesundheitlichen Gründen in der konkret relevanten Tragesituation keine Maske getragen werden könne. Dazu müsse das Attest zumindest erkennen lassen, welche Beeinträchtigung bei der Schülerin oder dem Schüler festgestellt worden sei und inwiefern sich deswegen das Tragen eines MNS nachteilig auswirke. Zudem müsse die festgestellte Erkrankung/gesundheitliche Einschränkung in das Fachgebiet des Arztes passen (ein Orthopäde könne keine Zahnschäden feststellen und ein Internist keine psychiatrischen Erkrankungen).
Hinweis: Gefälligkeitsatteste sind strafbar und können den ausstellenden Arzt Kopf und Kragen kosten.
VG Potsdam, Urt. v. 23.09.2020 – 6 L 824/20
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